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In Lauscha und auf dem Glasbläserpfad

Lauscha: Mitten im Ort stand einst die erste Glashütte.
Lauscha: Mitten im Ort stand einst die erste Glashütte

Lauscha. Ein kleiner Ort im Thüringer Wald. Auf der Landkarte wirkt er unscheinbar, ein Name zwischen Höhenlinien. Doch wer ihn einmal besucht, begreift: Hier glüht etwas. Hier funkelt die Geschichte. Lauscha ist kein Ort – Lauscha ist eine Flamme. Und diese Flamme brannte einst in einer Glashütte, als jemand auf die Idee kam, Weihnachten ein neues Kleid zu schenken.

Hier bekam Weihnachten seine Kugeln

Die ersten Weihnachtsbäume wurden bereits im 16. Jahrhundert aufgestellt, allerdings nicht in der Stube, sondern auf öffentlichen Plätzen. Es war Mitte des 19. Jahrhunderts, als ein armer Glasbläser in Lauscha seinen Kindern farbige Kugeln aus Glas blies, weil er sich – so sagt es die Legende – weder Nüsse noch Äpfel leisten konnte. Er wollte seinen Kindern keinen leeren Tannenbaum bieten, und blies kurzerhand eine Kugel. Keine goldene Walnuss, keine Apfelschnur, sondern eine schillernde Glaskugel. Zart, zerbrechlich, schön. Und der Rest? Ist Weihnachtsgeschichte.

Alles aus Glas für den Weihnachtsbaum
Alles aus Glas für den Weihnachtsbaum

Seit dieser Zeit gelten Lauscha und Weihnachten als unzertrennlich. Die Kugel aus Lauscha wurde zum Exportschlager, zum Kultobjekt, zur heimlichen Hauptdarstellerin am Tannenbaum. Und die Lauschaer Glasbläser blasen sie noch heute – mit Atem, Handwerk, Herzblut und ein bisschen Zauber.

Der Glasbläserpfad von Lauscha

Doch Lauscha glänzt nicht nur während der Adventszeit. Wer tiefer in die gläserne Welt eintauchen will, der sollte die Wanderschuhe schnüren. Der Glasbläserpfad führt auf rund 22 Kilometern von Lauscha nach Sonneberg. Und ist so etwas wie eine Hommage an das Handwerk, an die Natur, an die Menschen, die hier im Schatten der Wälder ihren eigenen Weg geschliffen haben. Schließlich trugen früher die Frauen die zerbrechlichen Waren in hohen Körben über die Berge.

Glasbläserfrauen trugen die zerbrechliche Fracht.
Glasbläserfrauen trugen die zerbrechliche Fracht

Start: Lauscha – Das Tal der Glaskunst

Los geht’s am besten direkt im Herzen von Lauscha. Die Stadt ist ein lebendiges Museum: Die Glasbläserkunst wird in vielen Schauwerkstätten noch genauso gepflegt wie vor hundert Jahren. Wer möchte, kann sich später in der Erlebniswelt Glas eine eigene Weihnachtskugel blasen lassen und erhält dort ein Andenken, das wirklich einmalig ist.

Im Museum für Glaskunst gibt es tiefere Einblicke: Von den Anfängen der Glasherstellung über filigrane Augäpfel für anatomische Modelle (ja, Lauscha war auch darin führend!) bis hin zum zeitgenössischen Glasschmuck.

Unterwegs: Glitzern im Grün

Manchmal führt der Glasbläserpfad steil bergauf.
Manchmal führt der Glasbläserpfad steil bergauf.

Der Pfad führt durch das wildromantische Thüringer Schiefergebirge. Wälder, Täler, versteckte Hütten. Hier  geht’s nicht um Speed, sondern um Stimmung. Immer wieder stoßen wir auf Schautafeln, Geschichten, kleine Kunstwerke am Wegesrand. Der Glasbläserpfad ist kein reiner Wanderweg, er ist ein Spaziergang durch die Seele einer Region. Der Weg führt uns zunächst steil bergauf, ein kurzes, knackiges Stück. Doch bald werden wir mit fantastischen Ausblicken auf das Lauschaer Tal belohnt. Hinter uns liegt das Städtchen wie ein aufgeschlagenes Bilderbuch, eingerahmt von dunklem Nadelwald.

Am Rennsteig entlang

Weiter geht’s Richtung Ernstthal am Rennsteig. Ein kleiner, ruhiger Ort, in dem einst der berühmte Erfinder des Flachglases lebte. Auch hier ist die Glasgeschichte spürbar, und eine kleine Rast lohnt sich – sei es an einer der Schutzhütten oder bei einem Picknick im Grünen. Wer mit Kindern unterwegs ist, freut sich über Mitmachstationen. Wer allein wandert, hört das Knacken der Äste, das Zwitschern der Vögel und manchmal glaubt man fast, das Flüstern der Glasbläser vergangener Zeiten zu vernehmen.

Durch Wälder und über Höhen

Füße kühlen im Bach
Füße kühlen im Bach

Wir wandern auf alten Handelswegen, durch schattige Waldpfade, über weiche Wiesen und vorbei an stillen Lichtungen. Immer wieder geben die Bäume den Blick frei auf die grünen Hügel des Thüringer Waldes. Und manchmal knirscht es leise unter den Wanderschuhen. Hier liegen nicht nur Laub und Nadeln, sondern auch splitternder Schiefer. Thüringer Schiefer hat die Region geprägt, sowohl landschaftlich, als auch kulturell und wirtschaftlich. Schon seit dem Mittelalter wurde hier Schiefer abgebaut: in kleinen Gruben, mit Hacke, Muskelkraft und viel Geduld. Noch heute zeugen verfallene Stolleneingänge und kleine Halden vom einst florierenden Schieferbergbau.

️Dächer wie Poesie aus Stein

Es geht durch die Orte am Glasbläserpfad: Lauscha, Ernstthal, Piesau, Steinach und Sonneberg, und achten auf die Häuser. Viele von ihnen tragen auf ihren Dächern oder Hausfassaden den charakteristischen blaugrauen Schimmer des heimischen Schiefers. Diese „Schieferverkleidung“ ist nicht nur hübsch, sondern traditioneller Witterungsschutz. Er verleiht den Orten diesen unverwechselbaren, leicht melancholischen Charme. Als würde jedes Haus eine alte Geschichte erzählen, in dunklem Glanz gehüllt.

Schiefergruben & Spuren im Wald

Schiefersplitter auf dem Weg
Schiefersplitter auf dem Weg

In den Wäldern entlang des Weges – besonders rund um Steinach und Ernstthal sehen wir immer wieder Spuren des Schieferabbaus. Kleine Infotafeln am Glasbläserpfad erzählen von:
• Alten Gruben wie „Blauer Bock“ oder „Schwalbenhof“, in denen einst das Gestein mühsam gebrochen wurde.
• Schieferhalden, die wie kleine graue Inseln zwischen Moos und Fichten liegen.
• Werkzeugen des Schieferhandwerks wie Keile, Schlägel, Hebel, die einst Alltag, heute Relikt sind.

Glas und Schiefer. Gegenspieler  oder Geschwister?

Glas und Schiefer am Rathaus in Lauscha
Glas und Schiefer am Rathaus in Lauscha

So unterschiedlich das glänzende, zerbrechliche Glas und der dunkle, widerstandsfähige Schiefer auch sind, beide erzählen von der Tiefe dieser Region. Der eine entsteht im Feuer, der andere durch Druck und Zeit. Beide wurden aus den Tiefen der Erde geholt, geformt von Händen, die wussten, was sie taten. Und beide, so gegensätzlich sie scheinen, finden sich entlang des Glasbläserpfads: in Werkstätten und Wäldern, in Kugeln und Gestein.

Tipp für Naturdetektive

Halte auf der Wanderung mal Ausschau nach glänzenden Schieferplättchen, die manchmal aus dem Boden ragen oder locker auf dem Weg liegen. Wenn du Glück hast, findest du sogar Fossilien, kleine urzeitliche Farne oder Muschelabdrücke, wie Steinzeichnungen aus einer anderen Welt.

Aussichtspunkte unterwegs

Immer wieder gute Aussichten
Immer wieder gute Aussichten

Scharfenberg: Mit Blick bis zum Frankenwald bei klarem Wetter.
Steinacher Höhe: Ideal für eine Brotzeit – mit Bänken und Weitblick.
Glaskunst-Installationen am Weg: Immer wieder treffen wir auf Kunstwerke, Infotafeln und kleine Überraschungen am Wegesrand. Der Pfad ist nicht nur Wanderung, sondern auch Freiluftmuseum.

 

 

Ziel: Sonneberg – Stadt der Spielzeuge

Sonneberg ist erreicht
Sonneberg ist erreicht

Nach etwa 22 Kilometern erreichen wir Sonneberg, eine Stadt, die einst als Weltzentrum der Spielwarenproduktion galt. Hier endet der Pfad zwar geografisch, aber eigentlich beginnt eine neue Geschichte. Einst war die Stadt Weltspielzeughauptstadt, und das merken wir noch heute. Das Deutsche Spielzeugmuseum ist zwar ein Muss, doch wir heben uns das für ein anderes Mal auf. Ein kurzer Bummel durch die Stadt zeigt die industriellen Wurzeln der Region: prachtvolle Gründerzeitvillen und ehemalige Fabriken als stille Zeugen einer florierenden Vergangenheit.

Zurück mit der Bahn

Zurück nach Lauscha mit der Bahn
Zurück nach Lauscha mit der Bahn

Weil wir müde Füße haben, steigen wir am Bahnhof Sonneberg einfach in den Zug und rollen gemütlich zurück nach Lauscha. Die Fahrt ist kurz, aber schön. Die Strecke schlängelt sich durch die grünen Täler, und die Sonne wirft noch ein bisschen Glanz auf alles.

Weihnachten im Herzen – das ganze Jahr in Lauscha

Doch Lauscha ist nicht nur ein Ort zum Wandern, sondern auch zum Staunen. Neben dem Glasbläserpfad gibt es die Erlebniswelt Glas, ein gläsernes Herzstück der Stadt. Hier wird nicht nur über Glas gesprochen – hier wird es gelebt, geformt, gefärbt, geatmet.

Ein Atemzug reicht – und eine Kugel entsteht

Glas entsteht bei Hitze
Glas entsteht bei Hitze

Gleich beim Betreten umfängt uns die Wärme der Öfen und das geheimnisvolle Glühen der Schmelzöfen. In der Glasbläserwerkstatt erleben wir hautnah, wie aus einem glühenden Tropfen flüssigen Glases eine perfekte Kugel entsteht. Geschickte Hände drehen, blasen, formen, bis aus einem glühenden Nichts Weihnachtszauber entsteht. Funkelnd, filigran, fast schwerelos. Wer will, darf selbst zur Pfeife greifen und eine eigene Kugel blasen. Das ist nicht nur ein Erlebnis, sondern auch ein sehr persönliches Souvenir. Jeder Atemzug zählt, jede Bewegung verändert das Ergebnis. Ein kreativer Akt, der ganz im Jetzt stattfindet und vielleicht eine neue Wertschätzung für das scheinbar Selbstverständliche am Tannenbaum weckt.

Augen auf! – Zwischen Ornamenten und Augäpfeln

Augen aus Glas
Augen aus Glas

Nicht nur Weihnachtskugeln stammen aus Lauscha. Hier wurden auch die ersten gläsernen Augen gefertigt, medizinisch, künstlerisch, faszinierend. In der Erlebniswelt sehen wir, wie diese künstlichen Augen mit ruhiger Hand und erstaunlicher Detailtreue entstehen. Es ist ein Handwerk zwischen Präzision und Poesie, irgendwo zwischen Glasbläserei und Porträtkunst. Die gezeigten Ornamente, Tiere, Figuren und Kugelwelten reichen vom klassischen Rot-Gold-Glanz bis zu modernen, fast psychedelischen Kreationen.

Ein Museum in Lauscha zum Mitmachen und Verstehen

Glaswelt Lauscha
Glaswelt Lauscha

Die Erlebniswelt ist mehr als nur ein Museum, sie ist ein Stück lebendiger Geschichte. Alte Werkzeuge, historische Aufnahmen, ein Überblick über die Entwicklung der Glasbläserkunst:  All das wird hier nicht trocken präsentiert, sondern in eine Atmosphäre der Bewunderung eingebettet. Man spürt: Das ist keine verlorene Kunst. Sie lebt. Sie glüht noch.

Und wer nach dem Rundgang eine Pause braucht, kann im angeschlossenen Laden schwelgen: In Kugeln, Kunst und kleinen Geschenken, die alle den Stempel echter Handarbeit tragen. Keine Massenware, sondern Lauscha pur.

Noch ein letzter Tipp für Kugelträumer

Wenn du zur Weihnachtszeit kommst, solltest du unbedingt den Lauschaer Kugelmarkt besuchen – ein Adventsmarkt, der ganz im Zeichen der Glaskunst steht. Und das Beste: Er findet in den Werkstätten selbst statt! Du schlenderst durch echte Produktionsstätten, trinkst Glühwein zwischen Öfen und darfst fast überall reinschauen, wo sonst nur Profis werkeln. Magisch!

Was bleibt nach so einem Wochenende in Lauscha? Wir hatten eine selbstgeblasene Kugel im Gepäck, noch den Harzduft in der Nase. Wir hatten das Gefühl, ein bisschen Licht gesehen zu haben, nicht nur im Glas, sondern in einer ganzen Region. Lauscha zeigt: Wohlstand ist nicht nur Geld oder Glanz. Es ist das Können, etwas Schönes zu schaffen. Mit den eigenen Händen. Mit Leidenschaft. Und mit einem Hauch Magie.

Infos zum Nachwandern:

Startpunkt: Bahnhof Lauscha
Ziel: Bahnhof Sonneberg (Oberfr) Hbf
Länge: ca. 22 km
Dauer: 5–6 Stunden (je nach Tempo und Pausen)
Rückweg: Per Bahn (ca. 15 Minuten)
Beste Jahreszeit: Frühling bis Herbst – im Winter traumhaft, aber bitte wetterfest!

 

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